Im Jahr 2022 erhielt ich meinen ersten Auftrag als “Pratermaler”. Es war mir eine große Freude und Ehre an dieser Wiener Kultlocation, dem Wurstelprater, tätig zu werden. Monsterfiguren der ältesten österreichischen Geisterbahn, dem “Geisterschloss”, und die Kasperl-Figur auf der Fotobank am Calafatiplatz wurden mit einer Airbrushbemalung verschönert.
Kommen Sie in Die Geisterbahn!
…und zwar in die älteste Geisterbahn von Wien, in das Geisterschloss im Wiener Prater. Hier hatte ich als Kind meine erste Geisterbahnfahrt zusammen mit meinem Cousin. Viel mitbekommen haben wir damals nicht, da wir uns mit geschlossenen Augen und Ohren möglichst tief in den Wagen legten und nicht mal bemerkten als dieser wieder ausfuhr. Ein lustiger Anblick für unsere Eltern und eine bleibende Erinnerung für unser ganzes Leben!
Etwas später lernte ich den Gruselfaktor zu genießen und mittlerweile schätze ich auch die liebevoll gestalteten Figuren und die verspielten Mechaniken und Tricks, die für möglichst schreckhafte Momente sorgen. Deshalb freute ich mich, als ich eine Anfrage der Geisterbahnbesitzerin Katja Kolnhofer in meinem Posteingang fand. Natürlich ist es mir eine große Freude am Erhalt und der Umgestaltung dieses Wiener Wahrzeichens mitzuarbeiten. Ganz besonders, weil mich auch persönliche Erinnerungen damit verbinden.
Erster Tag im Prater
Das Coolste gleich zu Beginn war mein Parkplatz direkt hinter dem Autodrom, normalerweise ist die Parkplatzsuche bei Praterbesuchen ja ein ziemlicher Krampf und die U1 ein heißer Tipp. In diesem Fall konnte ich aber nicht aufs Auto verzichten, da ich hunderte Kilo Ausrüstung dabei hatte. Auf Langos und Zuckerwatte verzichtete ich dafür, zumindest an den ersten Tagen, und machte mich an die Arbeit.
Anders als ursprünglich geplant, ich war mental bereits auf den “Krokofant” eingestellt, entschieden wir die Restauration des Kasperls am Calafatiplatz vorzuziehen. Dieser ist ein sehr beliebts Fotomotiv und steht direkt vor einem Autodrom bei dem in ein paar Tagen ein Radio FM4-Event angekündigt war. Hierfür sollte er dann bereits in neuem Glanz erstrahlen.
Fotomodell: Ein harter Job, auch für Kasperlfiguren…
Der Fotokasperl hatte bereits einiges mitgemacht, es gab tiefe Kratzer und der Lack war an einigen Stellen bereits abgesplittert. So verbrachte ich den ersten Tag mit Schleifen und Spachteln. Am nächsten Tag folgte die Bemalung, farblich orientierte ich mich am dahinterliegenden Autodrom.
Bestmögliche Versiegelung
Da es bei den Praterbesucher*innen sehr beliebt ist, am Schoß des Clowns Platz zu nehmen, wird diese Stelle besonders beansprucht. Vor allem die Nieten auf Jeans, Autoschlüssel und ähnliches können tiefe Kratzer verursachen. Deshalb entschied ich mich, eine dicke Schicht High Solid Klarlack mit der Lackierpistole aufzutragen. Dafür musste der schwere Kompressor ran.
Erste Medienauftritte
Letztlich wurde die Kasperlfigur pünktlich zum Radio FM4-Event fertig und schon einige Monate später sah ich meinen Airbrush-Kasperl zufällig sogar im Fernsehen. In der Sendung “Pratersterne” auf ORF 1 nahm der Kabarettist und Moderator Hosea Ratschiller Platz beim Praterkasperl und setze sich, wie sollte es anders sein, auf dessen Schoß.
Der “Krokofant”
Schon lange vor diesem Engagement wunderte ich mich auf Kirtagen, Jahrmärkten und natürlich im Prater, woher die viele Airbrushmalerei stammt? Ich kannte kaum Künstler, die so etwas im Portfolio hatten. Diverse Praterkunst untersuchte ich nach einer Signatur, wurde aber meistens nicht fündig. Kurz gesagt: Ich hatte immer schon Interesse an diesem Themenfeld der Airbrushmalerei und war gespannt auf das erste Monster aus der Geisterbahn.
“Some Kind Of Monster”
Dabei handelte es sich um den “Krokofant”, wie er beim Geisterschloss-Team genannt wird. Nicht schwer nachvollziehbar setzt sich der Name aus “Krokodil” und “Elefant” zusammen. Mich erinnert dieses Monster eher an einen Basilisken. Dieses Sagentier soll ja auch in Wien sein Unwesen getrieben haben. Aber natürlich könnte man das Wesen auch einfach als Drache bezeichnen, denn da soll es ja viele Arten geben, wie wir z.B. aus Harry Potter wissen.
Ein alter Drache, der Basilisk am Geisterschloss
Da die Figur über 50 Jahre alt ist, hatten schon mehrere Maler vor mir verschiedene Restaurierungsanstriche gewagt. Es gab einige Stellen die ich mit Polyestergewebe und ‑harz ausbessern musste. Außerdem behandelte ich die komplette Oberfläche mit der Schleifmaschine. Danach verwendete ich einen besonders hochwertigen Acrylfüller und Spachtelmasse, um eine stabile und gleichmäßige Maloberfläche zu erhalten.
Snakeskin, Airbrush Schuppen
Für die Bemalung der größeren Flächen des Drachenmonsters wählte ich Spraydosen von Montana und Molotow. Mit selbst geschnittenen Schuppen-Schablonen legte ich dann das Schlangenhaut-Muster grob an. Wichtig dabei ist, zuerst die dunkle Farbschicht zu sprühen. Diese bleibt am Ende als Spalt zwischen den Schuppen sichtbar. Bei der zweiten Schicht kommen dann Schablonen und die hellere Farbe zum Einsatz, das werden die eigentlichen Schuppen.
Feinere Details arbeitete ich frei Hand mit der Airbrushpistole und “Createx Wicked Colors” aus. Nach zwei Tagen Schuppen-Malen träumte ich auch in Schuppenmustern. Eine eher monotone Arbeit, die ich mir gerne mit Musik oder Podcasts am Kopfhörer versüße. Zum Beispiel mit meinem Lieblingspodcast “Geschichten aus der Geschichte” 😉
Blick in die Geisterbahn, Airbrusher als Spukgespenst
Eine weitere Möglichkeit der Auflockerung stellte der Blick in die Geisterbahn dar. Direkt neben meinem Arbeitsplatz gab es zwei Türen, die direkt ins Dunkel des Geisterschlosses führten. Mit der Zeit konnte ich an den Geräuschen erkennen, wann Wagen vorbei fuhren und einige Male nutzte ich die außergewöhnliche Gelegenheit dafür, selbst als Geist tätig zu werden 😉
Versiegelt wurde der Krokofant mit mattem Klarlack. Danach blieb er leider noch einige Zeit in der Werkstatt, da ein Zahnrad seiner Mechanik ersetzt werden musste. Im Sommer 2023 kam er dann zurück auf das Dach der Geisterbahn, wo er jetzt wieder seinen Hals herausstreckt und für Grusel bei den vorbeiströmenden Menschenmaßen sorgt.
“Das Maul” — der menschenfressende Troll-Kopf am Geisterschloss
Im Frühjahr 2023 machte ich mich daran “Das Maul” einen riesigen Kannibalen-Kopf an der Ecke der Geisterbahn zu restaurieren. Der Zustand war, ähnlich wie beim Krokofant, als sehr ramponiert zu bezeichnen. Als besondere Schwierigkeit kam hinzu, dass der Riese direkt mit dem Turm des Geisterschlosses verschweißt war und deshalb nicht abmontiert werden konnte. So musste ich die Geisterbahn mittels “Steiger” erklimmen.
Obwohl viele gruselige Figuren und Geräusche zugegen waren, war es vor allem die Höhe von bis zu 12 Metern, die ruckartigen Bewegungen des Steigers und die unter mir vorbeilaufenden Passant*innen, die in mir Unbehagen hervorriefen. Dennoch, nach ca. zwei Tagen wurde ich immer geübter im Umgang mit dieser “Gelenkteleskopbühne”, wie der Steiger auch genannt wird, und das Malen in luftiger Höhe begann mir richtig Spaß zu machen.
Danke Katja für diese spannenden Aufträge und ich hoffe es werden noch viele weitere folgen!